IMI-Mitteilung

IMI bei den Ostermärschen

Update: Jetzt auch mit Dokumentation der Reden

von: 15. April 2025

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Kommendes Wochenende finden wieder in vielen Städten die traditionellen Ostermärsche statt – aus gegebenen Anlässen dieses Jahr hoffentlich mit deutlich größerer Beteiligung. Eine sehr umfassende Übersicht über alle Ostermarsch-Termine findet sichbeim Netzwerk Friedenskooperative.

Auf folgenden Ostermärschen werden auch Redner*innen der IMI sprechen:

Am Donnerstag, den 17. April wird es auf dem Ostermarsch Erfurt (16:00 Uhr am Anger) einen Audio-Beitrag von Reza Schwarz geben [zum Grußwort].

Auf dem Ostermarsch in Ulm am Samstag, 19. April (Auftakt um 11:00 Uhr vor der Wilhelmsburgkaserne) wird Tobias Pflüger sprechen [zur Rede].

Um 11:15 Uhr wird am Samstag auch der Ostermarsch München mit einer Auftaktkundgebung auf dem Marienplatz beginnen. Ab 13:30 wird hier auch wieder die Abschlusskundgebung stattfinden u.a. mit einer Rede von Claudia Haydt [zum Video].

Der Ostermarsch Baden-Württemberg wird am Samstag um 12:00 Uhr auf dem Schlossplatz in Stuttgart beginnen. Hier wird u.a. Jürgen Wagner sprechen [zur Rede].

Auch in Erlangen wird der Ostermarsch am Samstag um 12:00 Uhr (am Beşiktaşplatz) beginnen, Christoph Marischka wird hier eine Rede zur Stationierung von Mittelstreckenwaffen halten [zur Rede].

Am Samstag um 13:00 Uhr wird an der Rheinpromenade Beuel der Ostermarsch Bonn beginnen, u.a. mit einem Redebeitrag von Andreas Seifert [zur Rede].

Der Ostermarsch Ruhr wird am Sonntag, 20. April um 16:00 Uhr mit einer Kundgebung in Bochum (KoFabrik Stühmeyerstraße) enden, Redner wird hier Tobias Pflüger sein [zum Video].

Marius Pletsch wird am Samstag auf dem Ostermarsch Heidelberg (14:00 Uhr, Bismarckplatz) sprechen [zur Rede].

Wir sehen uns auf den Straßen und Plätzen!

In den nächsten Tagen werden wir auch nach und nach die jeweiligen Reden hier einstellen.  [Rede von Tobias Pflüger in Ulm][Grußwort von Reza Schwarz in Erfurt];[Rede von Andreas Seifert in Bonn];[Rede von Marius Pletsch in Heidelberg]; [Rede von Jürgen Wagner in Stuttgart][Rede von Christoph Marischka in Erlangen];

Rede von Tobias Pflüger beim Ostermarsch in Ulm, 19.04.2025

 Liebe Freundinnen Freunde, liebe Ulmerinnen und Ulmer, herzlich willkommen zum Ostermarsch hier. Ulm ist was spezielles, Ulm ist nämlich ein riesengroßer Rüstungs- und Militärstandort, ich werde gleich dazu noch kommen. Thorsten Frei, demnächst Kanzleramtsminister hat vorgestern angekündigt, dass „angesichts des demographischen Wandels“ brauche es eine „veränderte Prioritätensetzung“. „Im Bereich Gesundheit, Pflege und Rente, das sind die großen Herausforderungen, da werden auch unangenehme Entscheidungen getroffen werden müssen“. Thorsten Frei kündigt das an, mit dem wir gerechnet haben, dass es mit dieser neuen Bundesregierung verschärft losgehen wird nämlich mit Kürzungen im Sozialbereich. Und jetzt fragt man sich natürlich, diese Bundesregierung ist ja gestartet, mit dem, dass bevor sie im Amt war, sie über den alten Bundestag, der abgewählt war, zwei riesengroße Finanzpakete durch den Bundestag gebracht hat, im Grundgesetz festgeschrieben hat. Und diese beiden Finanzpakete sind im Grunde genommen strukturbestimmend für das was wir die nächsten vier Jahre an Regierungspolitik erwarten werden, Das eine Finanzpaket ist ein Zitat „nach oben offenes“ Militär- und Rüstungsprogramm. Liebe Freundinnen und Freunde. So etwas hatten wir noch nie und es ist vollkommen neu, dass es offensichtlich so ist, dass für einen Bereich alles was da ist an Geld ausgegeben werden kann, Friedrich Merz sagt. „Whatever it takes“, er zitiert damit einen Konzern, der hier in Ulm auch eine wesentliche Rolle spielt und das in seiner Werbekampagne hat, nämlich Hensoldt, „whatever it takes“ das will Merz und will diese zukünftige Bundesregierung für den Rüstungsbereich und damit ist mit 400 Milliarden, 500 Milliarden oder noch mehr in diesem Bereich zu rechnen und ich kann nur sagen, es ist eine Gigantomanie und ein Aufrüstungswahn, dem stellen wir uns hier beim Ostermarsch entgegen und sagen, wir wollen keine Aufrüstung, wir wollen Abrüstung!
Ich bin ja Mitglied des Deutschen Bundestages für die Linke gewesen 2017 bis 2021 und habe erlebt wie Rüstungsprojekte genehmigt werden in Anführungszeichen, da gibt es die sogenannten 25 Mio Vorlagen, die werden in den Verteidigungsausschuss und den Haushaltsausschuss gebracht und insbesondere am Ende einer Legislaturperiode gibt es die so genannten waffentage. Wir hatten am Ende meiner Legislaturperiode eine Sitzung, in der 20 Milliarden Euro für Rüstungsprojekte ausgegeben wurden, heute hört sich das relativ wenig an. Und es wird so sein, dass jetzt, Stück für Stück Rüstungsprojekte durch den Haushalts- und den Verteidigungsausschuss gejagt werden und wir haben die Situation, das war schon damals schwierig, da eine parlamentarische Kontrolle zu machen, dass bei dem was jetzt alles kommen wird, eine parlamentarische Kontrolle fast unmöglich sein wird. Ich will einfach nur mal deutlich machen, welche Dimension das Ganze hat. Damals ging es um ein besonderes Vermögen von 100 Milliarden Euro. Und ich habe die Rüstungsprojekte gekannt, die damit finanziert wurden unter anderem zum Beispiel der F-35, ein großes Kampfflugzeug, was unter anderem die sogenannte nukleare Teilhabe absichern soll. „Nukleare Teilhabe“ heißt nichts anderes wie Atomwaffen. Das heißt, dass mit diesen Kampfflugzeugen Atomwaffen geflogen werden zwar von der Bundeswehr und die Bundesrepublik nimmt quasi nuklearer Teil an den Atomwaffen die es hierzulande gibt, ich sag nur, wir wollen diese nukleare Teilhabe nicht, wir wollen diese Flieger nicht. Wir wollen, dass die Atomwaffen abgezogen werden.
Und was als eines der ersten Projekte damals auch angeschafft wurde, sind bewaffnete Drohnen. Heron TP hat man geleast in Israel, ich habe sie mir angeguckt und das sind bewaffnete Drohnen, das heißt, es wird mit Drohnen Krieg geführt. Und vor wenigen Tagen ungefähr zehn Tage her, gab es eine Mitteilung aus dem Verteidigungsministerium dass jetzt Angriffsdrohnen angeschafft werden. Ja das sind offen Angriffsdrohnen. Die Firma Helsing stellt die zur Verfügung ein völlig neues Start Up, was Kampfdrohnen und Angriffsdrohnen Deutschland will endlich auch an den Drohnenkriegen der Zukunft teilnehmen. Wir wollen keine bewaffneten Drohnen, wir wollen erst nicht Angriffsdrohnen.
Jetzt hat man diese 500 oder mehr Milliarden beschlossen, dass die Bundeswehr bekommt, „whatever it takes“, ich halte das für eine der skandalösen Entscheidungen dieser Bundesregierung und zwar noch bevor sie im Amt ist. Und es war ja schon interessant, wie schnell plötzlich Sachen gehen können, wie schnell plötzlich für Sachen Geld da ist, wenn man es politisch will, ich glaube notwendig wären Sondervermögen spricht Schulden machen für andere Themenbereiche, es gibt da zum Beispiel einen Themenbereich, wo offensichtlich ist, das was getan werden muss, das ist der Bereich des Klimaschutzes, wo sind die Milliarden für den Bereich des Klimaschutzes? Jetzt hat man die einfach oben draufgehängt auf dieses Investitionspaket. Und zu diesem Investitionspaket ist etwas interessant, weil darüber redet kaum jemand, der ehemalige Verkehrsminister Volker Wissing hat sich verplaudert und hat es offen zugegeben: die Gelder im Bereich dieses Investitionspaket werden auch nach militärischen Kriterien vergeben. Das heißt das Sonderprogramm für Rüstung und das Investitionspaket sind zwei Seiten einer Medaille. Und deshalb auch die Formulierung von einer Reihe von Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, die gesagt haben, man soll das ja nicht trenne, sondern das gehört zusammen. Es ist tatsächlich so, dass es thematisch zusammengehört. Das eine sind die direkten Waffen und das andere ist die Infrastruktur, die eben auch quasi nach militärischen Kriterien vergeben wird und deshalb ist meine Meinung die, dass nicht nur das Rüstungspaket sondern auch dieses Investitionspaket nach militärischen Kriterien, das das abgelehnt gehört.
Und ich will das konkret machen. Es hat nämlich auch sehr viel mit Ulm zu tun. Ulm hat in der Wilhelmsburgkaserne, das JSEC sitzen, das „Joint Support and Enabling Command“, das ist das eine was da sitzt, das ist quasi ein NATO Kommando und das zweite was da sitzt ist „Multinationales Kommando Operative Führung“, ein EU Kommando, was machen die zwei, die koordinieren und Befehlen, die die Infrastruktur für den Aufmarsch Richtung Osten genutzt werden kann, darum geht’s, das wird hier in Ulm koordiniert und befehligt, ich kann nur klar sagen. Hört damit auf, mit der Planung von Aufmarsch Richtung Osten, wir wollen das nicht.
Das „Joint Support and Enabling Command“ ist in mehrfacher Hinsicht interessant, wen ich noch Abgeordneter wäre, würde ich noch den Versuch machen es zu besuchen, denn es tatsächlich nicht nur koordiniert, sondern auch befehligt. Was das konkret bedeutet hat die Europäische Union jetzt aufgelegt und zwar als Teil ihrer großen Aufrüstung, die jetzt beschlossen wurde, nämlich man will ja 800 Milliarden Euro in der Europäischen Union für Rüstungsausgaben geben und ein Teil davon ist für den Bereich der sogenannten „Military mobility“, was heißt das, dass eine militärische Mobilität geschaffen werden soll. Und das heißt, dass alle Brücken alle Infrastruktur überprüft wird, inwieweit sie militärischen Kriterien entspricht, wo geschieht das Ganze, hier in Ulm. Das heißt, wir haben hier ein ganz zentrales Zentrum sitzen für die Militarisierung, die derzeit gerade abläuft und deshalb kann ich nur klar sagen, wir wollen es nicht, dass das gemacht wird, diese „Military Mobility“ und dass konkrete Aufmärsche geplant werden Richtung Osten, wir lehnen das ab!
Was wird konkret mit diesem Investitionspaket, wie sind diese militärischen Kriterien, wo kann man das quasi nachlesen? Dazu gibt es den Operationsplan Deutschland? Ja, das ist ein geheimes Dokument und das ist so, dass quasi alle politischen Ebenen also Bundesebene, Landesebene bis hin zu den Kommunen und die zivilen Hilfsorganisationen zum Beispiel Deutsches Rotes Kreuz, Feuerwehr und so weiter in einer engen zivilen-militärischen Zusammenarbeit gemeinsam vorbereiten sollen, wie ist es, wenn man einen Krieg führt? Und dieser Operationsplan Deutschland, der wird in jeder Kommune diskutiert, also im Bereich der Verwaltung, wie können die jeweiligen Kommunen behilflich sein bei der Kriegstüchtigmachung?
Jetzt werde ich meistens bei diesem Punkt so angeguckt, als ob ich was vom Pferd erzähle, nein, das ist real. Das ist tatsächlich so, dass das das ist, was jetzt vorgelegt wird und dieses Investitionspaket ist tatsächlich so, dass es wesentlich mit diesem Operationsplan Deutschland zusammenhängt. Ich kann nur klar sagen, ich fordere alle Kommunen, alle Landesebenen usw. auf sich nicht daran zu beteiligen an der konkreten Kriegstüchtigmachungsplanung!
Wenn diskutiert wird, man müsste sich ja Krieg vorbereiten, weise ich darauf hin, dass inzwischen die Planung auch bei der Bundeswehr konkret die sind , dass man eben auch Angriffskriege plant, das zeigt die Form der Bewaffnung (Stichwort Angriffsdrohnen) es zeigt, aber auch, wie geübt wird. Ich war mal im so genannten Gefechtsübungszentrum (GÜZ) in der Nähe von Magdeburg, da kämpft blau gegen rot, dann ist uns das vorgeführt worden, und dann habe ich gefragt, „blau“ greift „rot“ an? Ja klar, aber „blau“ ist doch die Bundeswehr und „rot“ die anderen. Jaja, wir müssen beide Optionen üben, also es geht um Verteidigung und es geht um Angriff. Und es ist konkret so, dass wenn man jetzt hört, nan müsse sich ja auf Krieg vorbereiten, ja es geht auch um Vorbereitung auf Angriffskriege. Und da sage ich klipp und klar, das lehnen wir ab.
Jetzt haben wir einen Ministerpräsidenten, Winfried Kretschmann, der hat jetzt vor Kurzem ausgerufen, dass er eine Veränderung haben will vom Schwerpunkt Auto hin, jetzt würde man doch denken Nachhaltigkeit oder irgendetwas in diese Richtung, in Richtung Rüstung. Winfried Kretschmann macht sich Gedanken, wie man Baden-Württemberg zum führenden Rüstungsland machen kann. Und er will die entsprechende Rüstungsindustrie fördern. Hier in Ulm solche Firmen wie Hensoldt, wie MBDA, wie Thales, die sollen in Zukunft vom Land noch besonders gefördert werden. Ziel sei es Zitat mit Schwerpunkt Baden-Württemberg „eine europäische Rüstungsindustrie“ aufzubauen. Nein, Winfried Kretschmann, wir wollen kein Rüstungsland Baden-Württemberg, wir wollen hier zivile Produkte hergestellt werden, dafür setzen wir uns ein. Jetzt ist es ja so, dass man immer wenn es um Rüstung geht, dann heißt es, das sei ja notwendig, aber es nachher um Rüstungsexporte geht, auch in Kriegs- und Krisengebiete, das finden wir nicht so toll. Zum ersten Mal hat eine Bundesregierung ganz offen in ihrem Koalitionsvertrag reingeschrieben, für was Rüstungsexporte da sind: Zitat Rüstungsexporte werden nach „unseren“ Interessen vergeben. CDU CSU und SPD sagen klipp und klar: Rüstungsexporte nach Interessen. Okay, kann nur sagen nein, das ist nicht die Position der Friedensbewegung, wir wollen dass Rüstungsexporte eingestellt werden und nicht dass damit Interessenten durchgesetzt werden.
Er ist sowieso lesenswert dieser Koalitionsvertrag, weil es tatsächlich so ist, dass sich der gesamte Bereich Militär und Rüstung durch diesen Koalitionsvertrag durchzieht, ich empfehle besonders die Bereiche das so genannten „Inneren Sicherheit“ zu lesen, was da stattfindet ist nichts anderes wie eine Aufrüstung im Innern. Und empfehle diesen ganzen Bereich zu Krieg / Frieden, es sind die Formulierungen sehr konkret, wie sie die Rüstungsindustrie in Zukunft fördern wollen, und das Geld für diesen Bereich ist ja da und da komme ich zurück zu Thorsten Frei und für andere Bereiche offensichtlich nicht und genau das ist das, was wir kritisieren. Es ist wieder typisch, dass für Rüstung Geld da ist und für soziale Belange nicht, das bedeutet diese Bundesregierung und da sagen wir klar nein dazu!
Was jetzt notwendig ist, ist sich mit den verschiedenen Orten zu beschäftigen an denen Kriege vorbereitet werden, Ulm hat da relativ viel zu bieten. Es gibt eine Broschüre, in der das ziemlich genau aufgelistet ist, „Rüstungsatlas Ulm“, ich kann es nur empfehlen. Was das Zentrale ist dass Ulm tatsächlich sowohl im Bereich der Rüstung als auch im Bereich der Bundeswehr sehr sehr stark ist. Und ich hoffe sehr, dass es nicht einfach so durchgeht, weil de facto ist Ulm eine Militär- und Rüstungsstadt. Und das ist auch einer der Gründe warum der Ostermarsch hier stattfindet, dass wir nicht wollen, dass Ulm eine Militär- und Rüstungsstadt ist, sondern dass abgerüstet wird und Schritt für Schritt Militär und Rüstung abgebaut werden!
Liebe Freundinnen und Freunde, diese Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag eine Reihe von Formulierungen, die erst später wirken werden. Eine fand ich besonders bezeichnend, da heißt es, die Wehrpflicht wird „zunächst“ „freiwillig“ eingeführt. Zunächst freiwillig, liebe Freundinnen und Freunde, sie wollen nicht nur unglaublich viel Geld für die Bundeswehr und für die Rüstung ausgeben, sondern sie wollen auch Menschen dafür rekrutieren. Und dazu wird „zunächst freiwillig“ die Wehrpflicht wieder eingeführt spricht. De facto ist es so, dass sie die Wehrerfassung eingeführt wird. Das heißt, das Rathaus erfasst alle jungen Männer und Frauen und diverse und die Männer müssen ein Fragebogen verpflichtend ausfüllen. Wenn es dann nicht genügend Soldaten für die Bundeswehr gibt, womit zu rechnen ist, dann wird diese Bundesregierung die Wehrpflicht wieder aktivieren und ich sage klipp und klar wir lehnen sowohl die Wehrerfassung als auch die Wehrpflicht ab, wir wollen das nicht! Liebe Freundinnen und Freunde, ich sehe mich schon wie in den früheren Jahren einzelne beraten, wie sie den Kriegsdienst verweigern können, das ist nämlich das was ich mir wünsche, dass möglichst viele den Kriegsdienst verweigern, das ist ein Grundrecht, Artikel 4.3 Grundgesetz. Das sollte wahrgenommen werden, möglich massenhaft!
Jetzt heißt es ja zur Zeit, dass man mit dieser neuen US-amerikanischen Regierung nicht so zurecht käme, deshalb müsse man die Europäische Union eigenständig aufrüsten. Das Interessante ist das gilt für bestimmte Bereiche und für andere gilt es nicht. Diese noch amtierende Bundesregierung hat ja, nicht im Bundestag, sondern in einer Nebenerklärung beim NATO-Gipfel beschlossen, dass US-amerikanische Mittelstreckenraketen in Deutschland stationiert werden sollen und liebe Freundinnen und Freunde daran wird sich nach dem Koalitionsvertrag nichts ändern. Das heißt immer noch geplant diese US-amerikanischen Mittelstreckenraketen zu stationären. Nein, die wollen wir nicht, wir wollen keine Mittelstreckenraketen hier stationiert haben!
Und jetzt kommt das was typisch ist für die derzeitige Politik, ich saß mit Nils Schmid außenpolitischer Sprecher der SPD auf einem Podium zu den Mittelstreckenraketen und hat das kritisiert und dann sagt er wo liegt Dein Problem, die Mittelstreckenraketen haben ein riesen Vorteil Zitat „des koscht nix“. Wirklich unglaublich, aber das hat er so formuliert. Und dann habe ich gesagt, das ist mir egal. Ich weiß, dass es was kostet die ganze Stationierungskosten usw., aber mir ist es egal, ob es was kostet oder nicht, wir sind trotzdem gegen diese Mittelstrecken Raketen, weil sie militärisch eine unglaublich kurze Vorwarnzeit haben und unglaublich gefährlich sind und deshalb wollen wir nicht sie stationiert werden!
Und dann hat ja Nils Schmid den zweiten Teil einfach nicht erwähnt: Bei allem was zur Zeit geplant ist. Ist es so, dass man zuerst mal sich die entsprechenden Waffensysteme auf den Weltmarkt holt, nicht selten aus den USA. Im zweiten Schritt macht man sie selber, das ist beim Bereich der Drohnen so, da hat man jetzt Heron TP und diese Helsing Angriffsdrohnen will man Euro-Drohnen. Ebenfalls große bewaffnete Drohnen. Das heißt jedes Mal ist es so, dass das eigentliche Ziel ist, die europäischen europäische Projekte, nämlich gemeinsam aufzurüsten und jetzt haltet euch fest, was bei den Mittelstreckenraketen geplant: Zuerst sollen us-amerikanische Mittelstreckenraketen stationiert werden und wenn die Entwicklung fertig ist, sollen sie ersetzt werden durch europäische (Mittelstreckenraketen), das heißt, das wird noch mal richtig kosten. Und das hat Nils Schmid natürlich „vergessen“. Und das ist so typisch gerade, dass da umfassende Aufrüstung stattfindet. Und wir sind selbstverständlich gegen Mittelstreckenraketen, ob sie aus den USA kommen oder europäisch sind. Mittelstreckenraketen eskalieren die weltpolitische Situation, wir wollen sie nicht!
Liebe Freundin und Freunde, ich habe in der Bewertung des Koalitionsvertrags geschrieben, dass ich den Eindruck habe, diese Republik ist auf dem Weg in eine Militärrepublik, weil alles nach militärischen Kriterien abläuft. Und da ist Boris Pistorius und sind die verteidigungspolitischen Richtlinien einfach ehrlich und offen, es geht um „Kriegstüchtigkeit“, im Übrigen ein sehr deutsches Wort, ich habe das mal versucht im internationalen Kontext zu erklären, ich bin gescheitert. Kriegstüchtigkeit, darum geht es, liebe Freundinnen und Freunde und wir lehnen diese Kriegstüchtigkeit ab wir wollen stattdessen friedensfähig werden und nicht kriegstüchtig und immer mehr Aufrüstung, das wollen wir nicht!
Und diese Militärrepublik wird sich bleiern über diese Gesellschaft legen. Alle gesellschaftlichen Bereiche werden nach militärischen Kriterien gestaltet, ein Bereich, wo ich mir da besondere Sorgen mache, ist der ganze Bereich von Krankenhäusern. Nämlich auch die sollen nach den entsprechendem Operationsplan Deutschland und nach den entsprechenden militärischen Kriterien, „wie können Krankenhäuser der Bundeswehr bei ihren Aktivitäten behilflich sein?“, das ist die Fragestellung, liebe Freundinnen Freunde, das ist die falsche Fragestellung, ich will das mehr Geld in Krankenhäusern und Pflege gegeben werden, dass diese Krankenhäuser aber natürlich zivil bleiben.
Die Aufrüstung wird jetzt mit unglaublichen Schritten kommen und es wird das passieren, was ich am Anfang zitiert habe nämlich gleichzeitig wird in dem Bereich Soziales konkret gekürzt, Thorsten Frei hat Pflege, Rente, Gesundheit genannt, liebe Freundinnen und Freunde, ich kann euch alle nur dazu aufrufen, dass wir gemeinsam Protest und Widerstand organisieren gegen Aufrüstung und gegen Sozialabbau. Vielen Dank.

(Die Rede wurde frei gesprochen, das hier ist die vom Audio abgetippte Version)

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Grußwort von Reza Schwarz in Erfurt, 17.4.2025

Liebe MitstreiterInnen und GenossInnen,

die letzten Monate waren extrem turbulent: Die FDP hat die Ampelregierung vorzeitig gesprengt, Trump ist wieder Präsident der USA, in der Ukraine herrscht immer noch Krieg und Gaza liegt in Schutt und Asche. In dieser durch und durch krisengeschüttelten Welt mit viel Tod, Hunger, Unterdrückung, der drohenden Klimakatastrophe im Nacken und Elend bräuchten wir dringend Abrüstungsprogramme, Umverteilung und soziale Sicherheit. Deutschland als imperialistische Industrienation setzt aber, nach dem es bereits zwei Mal die halbe Welt in Trümmer gelegt hat, mal wieder auf Aufrüstung und Eskalation!

Spätestens seit Beginn des Ukrainekriegs 2022 wird neben der quantitativ messbaren Aufrüstung mit milliardenschweren Sondervermögen und Rekordgewinnen für Rheinmetall und Co. auch ideologisch wieder aufgerüstet: Die Wehrpflicht wird wieder reaktiviert, das Bildungssystem und andere Bereiche des Öffentlichen Lebens sollen auf den sogenannten Ernst- oder Katastrophenfall vorbereiten werden! Die ehemalige BundesbildungsministerIn Bettina Stark Watzinger forderte mehr Katastrophenübungen und eine noch höhere Präsenz von Jugendoffizier*innen an Schulen

Diese Jugendoffizier*innen haben zwar offiziell ein Werbungsverbot, schinden aber mit ihrem Auftritt in hochdekorierter Uniform und dem Framing als sogenannten ExpertInnen für Außen und Sicherheitspolitik natürlich Eindruck bei den Jugendlichen. Kritische Friedenspolitische Positionen haben es da natürlich schwer, da Initiativen wie Unter 18 Nie, die Deutsche Friedensgesellschaft Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) oder auch uns als Informationsstelle Militarisierung schlichtweg die finanziellen Mittel fehlen, um in die Schulen zu gehen und diesen Auftritten etwas entgegen zu setzen.

Letztes Jahr im Sommer wurde angekündigt, dass in diesem Jahr der neue Auswahlwehrdienst mit einer Wehrerfassung anhand von Fragebögen für alle Angehörigen des Geburtsjahrgangs 2007 stattfinden soll. Für Personen mit männlichen Geschlechtseintrag verpflichtend. Im selben Atemzug wurde jedoch angekündigt, dass wenn sich nicht genügend Rekrut*innen finden, die Wehrpflicht wieder vollumfänglich reaktiviert werden soll. Ganz getreu dem gewaltvollen Motto aus Goethes Erlkönig: „Und bist du nicht willig, so brauche ich Gewalt!“. Eine mögliche Grundgesetzänderung um die verpflichtende Erfassung von jungen Frauen bzw. Personen mit weiblichen Geschlechtseintrag zu ermöglichen, wurde natürlich auch gleich mit erwähnt. Andere Staaten innerhalb der EU wie Schweden machen das ja auch so, warum nicht auch die Bundesrepublik? Eine andere besorgniserregende Beobachtung, die sich auch immer dominanter in den Nachrichtenfeeds ausbreitet ist die Darstellung einer sogenannten „Wehrpflicht für alle“ als zentrale Errungenschaft für mehr Gleichberechtigung und der Überwindung struktureller Diskriminierung. Die fundamentale Kritik am Soldat*innentum verstummt immer weiter, die Kritik an kapitalistischen Herrschaftsverhältnissen und die Tatsache, dass Aufrüstungspolitik Teil faschistischer Ermächtigungsstrategien sind, die Gesellschaften nachhaltig zerstören, wird kleingeredet. Unsere Geschwister, Kinder oder Enkelkinder sollen wieder zum Kriegsdienst gezwungen werden und patriotismusgeladen für den deutschen Staat ihr Leben lassen! Wir müssen Widerstand dagegen leisten und dürfen dieses ideologisch tief verankerte „Werben fürs Sterben“ nicht einfach zulassen. Liebe Eltern und liebe Jugendliche: Bitte widersprecht so lange es noch geht der Datenübermittlung der Einwohnermeldeämter an die Karrierecenter der Bundeswehr so lange es noch geht, lehnt euch gegen Besuche von Jugendoffizier*innen oder Karriereberater*innen an Schulen auf und lasst auch nicht zu das Soldat*innen oder ganze Bundeswehrstandorte mit Kindertagesstätten und Jugendhilfeeinrichtungen kooperieren! Bitte gebt auch Acht auf den Konsum von Sozialen Medien, weil auch hier die Bundeswehr eine gut finanzierte und auf jugendliche Zielgruppen passend zugeschnitte Werbestrategie hat.

Vielen Dank und solidarische Grüße aus Tübingen! 

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Atomaffen nachrüsten? Rede von Andreas Seifert beim Ostermarsch in Bonn, 19.4.2025

Nach verschiedenen Umfragen, sehen die Deutschen es als gerechtfertigt an, wenn die Bundeswehr mehr Geld bekommt. Hier hat der Narrativ einer kaputtgesparten Bundeswehr verfangen, deren Budget anscheinend nie ausreichend ist, die keine Socken für die Soldaten hat und deren Material nicht nur veraltet, sondern auch noch kaum funktionsfähig ist. Das dem aber gar nicht so ist und sich der Verteidigungshaushalt, auch ohne das Sondervermögen seit 2000 verdoppelt hat, bleibt dabei unerwähnt. Die Befürworter einer ungehemmten Aufrüstung sehen in den jüngsten Bestrebungen des US- Präsidenten, sich von der NATO und den „Partnern“ in Europa abzuwenden, ein weiteres Argument für ihren Kurs – jetzt gilt es, noch mehr zu „kompensieren“. Dabei sollte es doch spätestens hier ein Innehalten, wenn nicht sogar Umdenken geben. Wenn Rüstung die einzige Antwort auf einfach alles ist, läuft etwas grundlegend schief.

Die wohlgesetzten Formulierungen im neuen Koalitionsvertrag täuschen über diese fehlerhafte Grundeinstellung nicht hinweg.

Das betrifft auch das Thema der Atomwaffen, zu denen sich im Koalitionsvertrag der lapidare Satz findet, man halte an der Nuklearen Teilhabe fest. D.h. mit der Stationierung von Atomwaffen in Büchel und der Bereitstellung deutscher Kampfflugzeuge, die diese Waffen ins Ziel bringen, führt man eine Abschreckungspolitik fort, die schon immer zweifelhaft war.

Dabei sind die Planungen, dieses Atompotential noch durch Mittelstreckenwaffen und Hypersonic-Waffen zu ergänzen nicht nur teuer, sondern auch gefährlich.

Im ersten Sondervermögen hat man bereits Festlegungen von über 10 Mrd. € getroffen, F-35 Kampfjets in den USA zu beschaffen und den Standort Büchel aufzurüsten. Weiteres Geld fließt in die Stationierung der US-Mittelstreckenwaffen, die man perspektivisch durch eigene Hypersonic-Waffen und Mittelstreckenraketen ersetzen möchte – für deren Entwicklung noch einmal ein Ausgabeposten von rund 650 Mio € bereits genehmigt wurde. Viel Geld – vielleicht auch, weil die US-Waffensysteme zwar in der Eifel und sonstwo in Deutschland stehen werden, aber nur durch einen US-Präsidenten eingesetzt werden können, der sich sichtbar als ein Autokrat entpuppt. Hier macht es auch keinen Unterschied, ob man stattdessen oder zusätzlich auf französische Systeme und Waffen setzt.

Die angedachten und bestellten Systeme werden die Vorwarnzeiten für alle Kontrahenten verkürzen und damit Überreaktion wahrscheinlicher machen. Das alleine, sind schon keine guten Nachrichten.

In der FAZ war im März[1] zu lesen, dass man in Deutschland ernsthaft darüber nachdenken müsse, sich von den „Fesseln“ der Nachkriegsordnung zu lösen – gemeint ist der 2 + 4 Vertrag, der die Wiedervereinigung möglich gemacht hatte und die Truppenstärke in Deutschland limitiert und auch eigene biologische, chemische und vor allem nukleare Waffen verbietet. Neben diesen „Fesseln“ müsse man die „moralischen Reflexe“, die mit Nuklearwaffen einhergehen – so ein anderer Autor in derselben Ausgabe der FAZ[2] – abstreifen und sich „nüchtern“ mit der Atomwaffe auseinandersetzen. Statt angstvoll in die Zukunft zu blicken und die drohende Zerstörung zu beschwören, so dieser Ansatz, sollten wir lieber eigene Atomwaffen als Bestandteil bundesdeutscher Abschreckung verstehen und lernen, die Bombe zu lieben.

Oder – um es einmal zu übersetzen: Die Zeitenwende dieser Autoren besteht darin, die „Normalität“ von Aufrüstung und auch atomarer Aufrüstung in den Köpfen ihrer Leser zu platzieren. Medial präsentiert wurde diese Idee auch schon von Caren Miosga und einem ehemaligen deutschen Außenminister, die den Deutschen sinngemäß empfahlen, sich von der Altlast des Pazifismus zu befreien: Friedensfundamentalismus als kollektiver Erbschaden.[3]

Dabei wird bewusst mit der Angst vor einem russischen Angriff gespielt, werden bewusst unrealistische Szenarien aufgefächert um unhinterfragt Prioritäten im Bundeshaushalt zu ändern.

Ja es ist richtig – vor einer Konfrontation, vor einem Dritten Weltkrieg kann man mehr Angst haben als jemals zuvor – die Uhr der Sicherheitsforscher, die vor einem Atomkrieg warnen, war noch nie so dicht an den 12.00 Uhr wie heute. Die richtige Reaktion auf diese Angst ist es aber nicht, den Versprechungen von Aufrüstung und großen Waffen als Sicherheitsgaranten zu glauben, sondern mutige Schritte Richtung Verständigung zu unternehmen.

Das frische Geld, der fiskalische Freibrief, wie er sich nun für die Bundeswehr abzeichnet, wirft die Frage auf, was man damit eigentlich machen will. Und hier ist auch ein Auftrag an uns, Abgeordnete und Politiker*innen zu fragen, was denn mit dem vielen Geld wirklich gemacht wird – und auch kritisch nachzuhaken, ob das denn der Weg ist, der unseren Frieden, unsere Freiheit wirklich erhält.

Andreas Seifert, IMI-Vorstand für die DFG-VK Gruppen Bonn-Rhein-Sieg

[1] Deutschland muss alte Fesseln lösen, FAZ 24.3.

[2] Die Bombe verstehen lernen, FAZ 24.3.

[3] Frau Miosga, unsere Pazifismus-DNA überschreiben?, Berliner Zeitung, Kommentar 15.4.

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Rede von Marius Pletsch beim Ostermarsch in Heidelberg, 19.4.2025

– Es gilt das gesprochene Wort –

Liebe Freund*innen,

als Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen ist für mich die Grundsatzerklärung der War Resisters International handlungsleitend, in der es heißt: „Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ich bin daher entschlossen keine Art von Krieg zu unterstützen und an der Beseitigung der Kriegsursachen mitzuarbeiten.“

Es freut mich, dass sich hier und an so vielen Orten in Deutschland über die Osterfeiertage wieder Menschen auf die Straße begeben und ein deutliches Zeichen gegen das von Verteidigungsminister Boris Pistorius ausgerufene Ziel der „Kriegstüchtigkeit“, einer seit dem Ende des Kalten Kriegs beispielloser Aufrüstung in Europa und der Militarisierung der Gesellschaft setzen.

Leider mangelt es derzeit wahrlich nicht an Kriegen und Kriegsvorbereitung. Der Fokus soll in dieser Rede aber auf Europas Aufrüstung und die Rückkehr von Mittelstreckenwaffen liegen.

Der russische Krieg gegen die Ukraine hat zu unzähligen Opfern und Leid geführt und tut das auch weiter tagtäglich. Russland hat als Aggressor die Möglichkeit diesen Krieg sofort zu beenden, in dem es das imperialistische Vorhaben aufgibt Grenzen mit Gewalt verschieben zu wollen und seine Truppen zurückzieht. Damit ist wie bereits gehört leider nicht bald zu rechnen.

Seit der russischen Vollinvasion 2022 sehen wir eine enorme Beschleunigung von einem Trend, der sich schon länger beobachten ließ. Deutschland und die anderen Staaten der EU rüsten seit zehn Jahren massiv auf: Lagen die Ausgaben in den EU-Staaten 2014 noch bei 182 Mrd. €, wurden sie für 2024 auf 326 Mrd. € geschätzt. Die EU möchte mit dem Programm ReArm Europe 800 Mrd. € mobilisieren. Mit dieser Aufrüstung verbunden ist der Anspruch Großmachtkonflikte führen und isnb. ökonomische Interessen weltweit militärisch durchsetzen zu können. Dazu wird auch in hochumstrittene Kriegstechnologien, wie in Autonomie in Waffensystemen, investiert. Die Ukraine dient vielen europäischen Rüstungsunternehmen als Testlabor.

Auch in Deutschland sind die Ausgaben fürs Militär trotz der angeblich immer noch blanken Bundeswehr alles andere als stagnierend gewesen: 2014 wurden nach NATO-Kriterien 34,9 Mrd. € ausgegeben. 2024 beliefen sich die Zahlen mit den Ausgaben aus dem Sondervermögen auf 90,6 Mrd. €. Und der Betrag soll weiter in die Höhe gehen. Deshalb haben vor der Konstituierung des neuen Bundestages CDU, CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP auf unbegrenzte Zeit die Schleusen fürs Militär nicht nur geöffnet. Sie haben sie gesprengt!

Fühlt ihr Euch schon sicherer? Unsere Antwort ist ganz klar: NEIN!

Über einem Prozent des BIP werden Ausgaben für das, was der Staat unter Sicherheit versteht, nicht mehr auf die selbstangelegten Fesseln der Schuldenbremse angerechnet. Jene Schuldenbremse, die argumentativ stets dann herhalten durfte und bestimmt auch weiter herhalten darf, um Ausgaben z.B. für Soziales eine Absage zu erteilen.

Zusätzlich wurde ein weiteres Sondervermögen in Höhe von 500 Mrd. € für Investitionen aufgelegt. Ein Großteil davon wird in Straßen, Schienen und stabile Brücken von West nach Ost fließen. Der militärische Nutzen der Investitionen in Infrastruktur wird an erster Stelle stehen.

Dabei ist der Weg zur Globalen Abrüstung dringlicher denn je. Die insb. durch den globalen Norden verursachte Klimakatastrophe stellt die Menschheit vor eine ungeheure Aufgabe. Aufrüstung und Krieg verschlimmert die Lage nur. Die Weltuntergangsuhr des Berichtsblattes der Atomwissenschaftler*innen steht bei 89 Sekunden vor zwölf. Danach stehen wir so nah am Abgrund wie zu keiner Zeit im Kalten Krieg. Das sollte eine deutliche Warnung sein!

Leider ist hier von der kommenden Bundesregierung ohne zivilgesellschaftlichen Druck gar nichts zu erwarten. Nicht, dass die sich noch im Amt befindliche Regierung hier höhere Maßstäbe gesetzt hätte: Statt dem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten, blieb Deutschland dieses Jahr erstmals dem Staatentreffen als Beobachter fern. Über den Austritten Lettlands, Litauens, Estlands, Polens und Finnlands aus dem Abkommen über das Verbot von Antipersonenminen und im Falle Litauens auch aus dem Abkommen zu Streumunition kam keinerlei Kritik, ja es wurde gar Verständnis für diesen Schritt geäußert. Damit verspielt die Bundesregierung jegliche Glaubwürdigkeit, wenn es um die Wahrung des humanitären Völkerrechts geht! Die von Friedrich Merz ausgesprochene Einladung an Benjamin Netanjahu legt zudem noch die Axt an die internationale Strafgerichtsbarkeit.

Der Irrglaube an die Abschreckungslogik ist in den Köpfen der Entscheidungsträger*innen zurück. Besonders deutlich wird das an einem Beispiel, welches mich zum zweiten Teil dieser Rede bringt, die ich in Funktion als Campaigner für „Friedensfähig statt erstschlagfähig. Für ein Europa ohne Mittelstreckenwaffen!“ halten darf.

Im kommenden Jahr sollen in Deutschland Waffen einer Kategorie stationiert werden, die seit 1987 aus den Arsenalen der ehemaligen Sowjetunion und der Vereinigten Staaten von Amerika vollständig verschwunden waren. Die Rede ist von landgestützten Mittelstreckenwaffen. Der INF-Vertrag verbot landgestützte Trägersysteme mit einer Reichweite zwischen 500 km und 5.500 km sowie Startvorrichtungen und die zu ihrer Stationierung notwendige Infrastruktur. Der Vertrag war ein Meilenstein der Abrüstung, der einen Ausweg aus der Unsicherheit der Abschreckungslogik aufzeigte. Sicherheit wurde auf dem Weg der Abrüstung geschaffen.

2019 kündigte der damalige und jetzige US-Präsident Donald Trump den Vertrag nach jahrelangen gegenseitigen Vorwürfen der Vertragsverletzung auf, Wladimir Putin folgte dem unmittelbar. Das Interesse am INF-Vertrag war zu diesem Zeitpunkt längst erloschen. Die im Vertrag vorgesehenen Streitschlichtungsmechanismen wurden zunächst nur zögerlich, später gar nicht mehr genutzt. Gegenseitige Einladungen zur Verifikation, um die Vorwürfe auszuräumen, wurden weder von Russland noch von den USA angenommen.

Die USA haben am 10. Juli 2024 gemeinsam mit der Bundesregierung am Rande des NATO-Gipfels in Washington angekündigt, folgende Mittelstreckenwaffen zu stationieren: Marschflugkörper vom Typ Tomahawk und ballistische Raketen vom Typ SM-6 mit einer Reichweite von jeweils ca. 1.600 km sowie den Hyperschallgleiter Dark Eagle mit einer Reichweite von über 2.700 km. Nukleare Sprengköpfe können derzeit keine der drei Waffen tragen. Sie sind der zweiten Multi-Domain Task Force in Wiesbaden unterstellt und werden voraussichtlich ab 2026 in Grafenwöhr stationiert.

Im Zuge der europäischen Aufrüstung und dem Versuch unabhängiger von den USA zu werden, möchte Deutschland gemeinsam mit europäischen Verbündeten ein eigenes landgestütztes Waffensystem mit einer Reichweite zwischen 1.000 km und 2.000 km entwickeln. Egal von wem die Mittelstreckenwaffen sind, sie machen Europa unsicherer!

Erst vor wenigen Monaten wurde eine solche Waffe in Europa eingesetzt: Am 21. November 2024 feuerte Russland eine Mittelstreckenwaffe auf eine ukrainische Waffenfabrik ab. Russland, das erst wenige Tage zuvor seine Nukleardoktrin überarbeitet und die Einsatzschwelle für Atomwaffen gesenkt hatte, informierte die USA kurz vor dem Start, dass die Rakete keine Atomsprengköpfe trage. Putin erwähnte in seinem Statement zum Einsatz, dass die Rakete – Zitat – „in diesem Fall“ nicht nuklear bestückt war. Eine brandgefährliche Aussage!

Wir wollen deutlich machen: Der Abschreckungswettlauf schafft keine Sicherheit. Landgestützte Mittelstreckenwaffen lassen sich schnell verlegen und abschussbereit machen, sie erreichen ihr Ziel in wenigen Minuten. Von der russischen Exklave Kaliningrad aus kann Russland schon heute mit den dort stationierten Waffen das gesamte Baltikum, Polen und die Strecke bis Berlin abdecken. Mit der im November eingesetzten Oreschnik kann von Russlands Grenzen aus ganz Europa abgedeckt werden. Umgekehrt reicht die Dark Eagle, die von den angekündigten US-Waffen die höchste Reichweite hat, bis weit hinter Moskau.

Fühlt ihr euch schon sicherer? Unsere Antwort ist ganz klar: NEIN!

Deshalb fordern wir:

  • Keine neuen landgestützten Mittelstreckenwaffen, nicht in Deutschland, nicht in Russland, nirgendwo in Europa!
  • Dialog statt Aufrüstung! Verhandlungen zwischen den USA, Russland und gegebenenfalls weiteren Staaten über einen neuen Mittelstreckenvertrag!
  • Nicht Auflösung, sondern Stärkung des Völkerrechts und der Abrüstung!
  • Und wir fordern neue Initiativen für eine gemeinsame Sicherheit und Zusammenarbeit!

Das ließe uns Zuversichtlicher in die Zukunft Europas schauen!

Vielen Dank.

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Fähigkeitslücke Frieden. Rede von Jürgen Wagner (IMI) beim Ostermarsch in Stuttgart (19.4.2025)

Liebe Freundinnen und Freunde,

unsere Politikerinnen und Politiker haben sich zu einem Würfelspiel mit der Katastrophe entschieden: nämlich die Konfrontation mit Russland immer weiter zu verschärfen. Und ein zentraler Baustein dabei ist die geplante Stationierung von Mittelstreckenwaffen in Deutschland im kommenden Jahr, also von Tomahawk-Marschflugkörpern, Standard-Missile-6-Raketen und den Hyperschallraketen Dark Eagle. 

Lassen wir einmal beiseite, dass diese Pläne verboten wären, hätten die USA nicht 2019 den INF-Vertrag mit Russland aufgekündigt; und vergessen wir einmal, dass diese Entscheidung in Deutschland von einem sehr kleinen Zirkel ohne vorherige parlamentarische oder gar öffentliche Debatte ausgekocht wurde.

Schauen wir uns nur einmal die offizielle Begründung an, weshalb es dieser Waffensysteme bedürfe: Es müsse eine Fähigkeitslücke – also eine russische Überlegenheit – bei Kurz- und Mittelstrecken ausgeglichen werden, heißt es.

Liebe Freundinnen und Freunde,

es gibt tatsächlich eine Fähigkeitslücke: nämlich 1800 zu 3000. Das ist laut Oberst a.D. Wolfgang Richter die Zahl der in Europa stationierten Waffen – aber zugunsten der NATO.

Die bisherigen luft- und seegestützten Waffensysteme haben aber den „Nachteil“, dass sie zu langsam für Überraschungsangriffe auf strategische Ziele tief im russischen Raum sind. Und das ist die Fähigkeitslücke, die nun behoben werden soll.

Um es klar zu sagen: diese Waffen haben mit „Abschreckung“ oder „Verteidigung“ rein gar nichts zu tun – und Stationierungsbefürworter geben das auch offen zu. Oberstleutnant i. G. Torben Arnold gibt etwa an: „Die Dark Eagle ist mit bis zu 17-facher Schallgeschwindigkeit kaum zu stoppen. Mit dieser hohen Eindringfähigkeit [ist sie] ideal, um auch solche russischen Hochwertziele auszuschalten, die gezielt geschützt werden.“

Sollte an diesen Plänen festgehalten werden, hat Russland die flächendeckende Stationierung weitreichender Mittelstreckenraketen angekündigt. Und Russland hat am 19. November 2024 eine neue Nukleardoktrin verabschiedet, in der u.a. auch konventionelle Angriffe auf strategische Ziele als mögliche Auslöser für nukleare Vergeltungsschläge identifiziert werden.

Und was tut unser Bundeskanzler in spe – noch nicht einmal im Amt bringt er erneut die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ins Spiel.

Liebe Freundinnen und Freunde,

das alles macht uns nicht sicherer – im Gegenteil.

Denn die relevanten Einrichtungen rücken in den russischen Zielplanungen ganz nach oben: Die Waffen werden wahrscheinlich in Grafenwöhr stationiert; die zugeordneten Armeeeinheiten befinden sich in Wiesbaden; und das Oberkommando ist direkt hier in der Gegend, im EUCOM in Stuttgart Vaihingen, wo der diesjährige Ostermarsch begonnen hat.

Liebe Freundinnen und Freunde,

wenn ich mir das alles so anschaue, dann gibt es vor allem eine Fähigkeitslücke: Nämlich die Unfähigkeit (oder der Unwille) unserer Politikinnen und Politiker, Auswege aus der Eskalationsspirale zu finden.

Das ist die Fähigkeitslücke, die dringend behoben werden muss!

Und deshalb sagen wir nein – wir wollen nicht zu Hochwertzielen im neuen Raketenschach werden!

Wir wollen friedensfähig statt erstschlagfähig sein!

Liebe Freundinnen und Freunde,

Deutschland will im EU-Verbund als hochmilitarisierter Akteur seinen Hut in den Ring der immer schärfer werdenden Großmachtkonflikte werfen.

Für das Geld dafür, haben sie mit der weitreichenden Aussetzung der Schuldenbremse für Militärausgaben gesorgt, das Material werden sie beschaffen – woran es vor allem hapert ist das Personal.

Die Bundeswehr will von aktuell 180.000 auf 200.000 evtl. 230.000 bis 270.000 Soldatinnen und Soldaten anwachsen und die Reserve soll von derzeit 40.000 auf 260.000 ausgebaut werden. Aktuell hat die Bundeswehr aber ihre Müh und Not den Bestand auch nur auf dem jetzigen Stand zu halten.

Uns stehen also eine massive Werbe- und Rekrutierungskampagnen bevor. Das heißt mehr Bundeswehr-Auftritte in den Schulen, mehr Werbeserien im Internet, mehr Kino-Werbung, mehr Plakatwerbung an allen möglichen Orten usw.

Liebe Freundinnen und Freunde,

wir müssen dieser Militarisierung des öffentlichen Raums entgegentreten.

Und deshalb möchte ich hier vom Ostermarsch in Stuttgart auch herzliche Grüße an die drei Münchner Tramfahrer senden, die sich weigern, mit einer Flecktarnbahn zu fahren. Das ist ein großartiges Beispiel, das hoffentlich bald Schule macht.

Im Zusammenhang mit dem Personalmangel ist natürlich auch die für dieses Jahr geplante Einführung eines neuen Wehrdienstes zu sehen. Dabei sollen Fragebögen an einen gesamten Jahrgang geschickt werden, die für männliche Jugendliche verpflichtend zu beantworten sind. Als Ziel wurde ausgegeben, zuerst 5.000 dann 10.000 Wehrdienstleistende für 6-23 Monate zu gewinnen. 

Der Wehrdienst solle „zunächst auf Freiwilligkeit“ basieren, heißt es im Koalitionsvertrag von Union und SPD. Es hat aber nichts mit Freiwilligkeit zu tun, wenn verpflichtend Angaben gemacht werden müssen, auf deren Basis am Ende dann im Spannungs- oder Verteidigungsfall doch ein Einzug in die Armee stehen könnte.

Außerdem lautet „zunächst“ das Zauberwort im Koalitionsvertrag. Denn wenn die Rekrutierungsziele nicht erreicht werden – was wahrscheinlich ist – dann ist sehr bald mit einer wie auch immer gearteten Wiedereinführung der Wehrpflicht zu rechnen.

Und das wird dann auch die Einführung einer Allgemeinen Dienstpflicht und die Erweiterung auf Frauen bedeuten – Wehrgerechtigkeit nennen sie das dann.

Apropos Gerechtigkeit: Umfragen belegen in allen Altersgruppen eine Mehrheit der Bevölkerung für die Wiedereinführung der Wehrpflicht – außer einer Altersgruppe: den 18-29jährigen.

Liebe Freundinnen und Freunde,

die Mehrheit der Jugendlichen will nicht kriegstüchtig werden!

Und deshalb fordern wir auch hier: wir wollen friedensfähig nicht kriegstüchtig werden!

Vielen Dank!

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Rede von Christoph Marischka beim Ostermarsch in Erlangen, 19.4.2025

Wir sind am 23. März in einem neuen, anderen Deutschland aufgewacht, nachdem auch der Bundesrat einer Änderung der Verfassung zugestimmt hat. Das Grundgesetz, die Grundlage der sog. freiheitlich-demokratische Grundordnung, ist vor dem Hintergrund der deutschen Schuld und deutschen Niederlage im Zweiten Weltkrieg entstanden. Das Grundgesetz war geprägt vom „Nie Wieder“, von der bewussten Einhegung jener Kräfte, die Deutschland wiederholt zum Aggressor haben werden lassen. Es sah ja auch ursprünglich gar keine deutsche Armee mehr vor. Auch der so genannte Zwei-Plus-Vier-Vertrag von 1990, der die so genannte „Wiedervereinigung“ ermöglichte, war noch hiervon geprägt – vom Misstrauen gegenüber Deutschland einerseits und vom Gedanken des „Nie Wieder“ andererseits. Liebe Freund*innen und Freunde, wir hier stehen weiterhin zur Notwendigkeit der Aufarbeitung der deutschen Geschichte; zur Notwendigkeit, den kriegstreiberischen, imperialistischen Bestrebungen in diesem Land Fesseln anzulegen, wir stehen weiterhin dazu, dass von deutschem Boden NIE WIEDER KRIEG ausgehen soll!

Nun aber enthält das Grundgesetz in den Artikeln 109 und 115 neue, ellenlange Absätze, wonach Ausgaben für die Aufrüstung – und zwar nur die Aufrüstung einschließlich Nachrichtendienste etc. – von der so genannten Schuldenbremse ausgenommen werden. Das ist die neue Grund- und Werteordnung dieser Republik, dass das, was für die sozialen und die zivilen Bereiche, für die Bundesländer, für die Schulen, die Unis, für das Gesundheitswesen und so weiter gilt nur in einem einzigen Bereich nicht gelten soll: Für die Kriegsvorbereitungen. Für mich ist klar: Wenn sich ein Staat eine solche Verfassung, eine solche Grundordnung gibt, dann wird er früher oder später Krieg führen wobei sich das für die Öffentlichkeit wahrscheinlich so darstellen wird, als würde Deutschland „in einen Krieg hineingezogen“. Und wer sich eine solche Verfassung gibt, läutet ein Wettrüsten ein, macht sich zumindest im Falle des wirtschaftlich und industriell starken Deutschlands mit Schuld an einem globalen Wettrüsten, das ziemlich wahrscheinlich in einen Weltkrieg münden wird und uns sehr sicher noch tiefer in eine Klimakatastrophe führen wird. Liebe Freundinnen und Freunde, dieser Wahnsinn muss gestoppt werden und ganz offensichtlich liegt es an uns, einer Friedensbewegung mit antifaschistischer Geschichte, diesen Wahnsinn zu stoppen, gemeinsam mit linken und fortschrittlichen Kräften weltweit!

Es ist aber nicht das Grundgesetz allein oder der alte, abgewählte Bundestag, der diese Änderung beschlossen hat. Es ist die Gesamtstimmung in diesem Land, eine Kriegsstimmung, die wirklich schockierend ist. Sicherlich, wir haben viele Scharfmacher unter den führenden Politiker*innen, die Anton Hofreiters, Baerbocks, Strack-Zimmermanns und Kiesewetters. Aber in der Masse scheint mir die Politik aktuell eher getrieben von Medien und Expert*innen, die in ganz unverantwortungsvoller Weise für den Krieg trommeln. Erinnern wir uns an die Diskussionen um immer schwerere Waffensysteme, Schützenpanzer, dann Kampfpanzer und Kampfflugzeuge bis hin zu – immer und immer wieder – dem Marschflugkörper Taurus. Es war immer dasselbe Muster. Diejenigen, die einer weiteren Eskalation das Wort redeten, erhielten Zuspruch und Applaus, die anderen, die Bedenken äußern, werden in Bausch und Bogen verurteilt, niedergemacht und lächerlich gemacht.

Wir dürfen nicht vergessen, wie hierzulande die Diskussionen um den Krieg in der Ukraine in den ersten drei Jahren verlaufen sind. Jahrelang wurde uns weisgemacht, dass die Ukraine Russland, das größte Flächenland der Erde, besiegen, vollständig von ihrem Territorium vertreiben könnte. Wen Politiker oder Militärexperten Zweifel an der „Rückeroberung der Krim“ äußerten oder Verhandlungen einforderte wurden sie Ziel massiver Anfeindungen und zum Gespött gemacht – bis hin zum Papst und dem UN-Generalsekretär. Wer Angst vor einem Atomkrieg äußerte oder ukrainische Rekrutierungsprobleme thematisierte, dem wurde vorgeworfen, Kreml-Propaganda zu betreiben. Ein realistisches Bild des Krieges wurde nahezu verunmöglicht. Stattdessen wurde auf Titelseiten und in Diskussionen tatsächlich vor „Kriegsmüdigkeit“ gewarnt und nahezu täglich war zu lesen, dass „die Entscheidung auf dem Schlachtfeld“ gesucht werden müsse. Es war gang und gäbe zu behaupten, dass der Abnutzungskrieg geführt und gewonnen werden müsse – dass er gewonnen werden könne, galt ohnehin als unhinterfragbare Wahrheit. Es war die Rede davon, dass man Russland „ausbluten“ lassen müsse und entsprechend wurden Opferzahlen in fünf- und sechsstelliger Größenordnung geradezu gefeiert. Liebe Freundinnen und Freunde, es ist auch an uns und auch dafür stehen wir hier, um dieser unglaublichen Verrohung der Debatte etwas entgegenzusetzen.

Es war die ganze Zeit so, dass es trotz des medialen Trommelfeuers auch die anderen Positionen gab – von rechts bis links, nicht alle davon sind mir sympathisch; die anderen Osteuropa-Forscher*innen, die anderen Militärexpert*innen, die anderen Politikwissenschaftler*innen und uns aus der Friedensbewegung. Doch es hat großen Mut von denen erfordert, sich zu äußern, viele davon wurden lächerlich gemacht, manche Karriere hat so geendet, manche wurden de facto mundtot gemacht und anderen wurde schlicht nie zugehört. Das ist das, was ich mit der Grundstimmung in diesem Land meine: Es ist nicht so, dass in den Umfragen, auf den Straßen und Plätzen eine große Mehrheit für den Kriegskurs und die Aufrüstung wären. Es ist nur so, dass in den letzten Jahren diejenigen nach oben gespült werden, die schon lange wieder von einer Großmacht Deutschland träumen, die schon lange der Aufrüstung das Wort reden und die sich teilweise völlig offen zugleich an dieser bereichern. Und es besteht die Gefahr, dass die anderen, wir hier zum Beispiel, immer leiser und auch weniger werden. Das aber darf nicht passieren, den es liegt an uns, laut zu sein und mehr zu werden und gegen den Hochrüsungs-Wahnsinn aufzubegehren – in unserem Namen und dem unserer Kinder, für die Zukunft des Klimas und dieses Planeten!

Das ist auch bei der Wehrpflicht so, die ziemlich sicher in der einen oder anderen Form kommen wird – in einer neuen Form, in einem anderen Kontext, in einem Deutschland, das sich auf den Krieg vorbereitet. „Mehrheit der Deutschen für Wehrpflicht“ titelte im März die Welt, „Mehrheit will Wehrpflicht zurück“ der NDR. Besonders die älteren Jahrgänge sehen das offenbar so. Insgesamt liegt diese Mehrheit aber insgesamt auch nur bei etwa 58 bis 61 Prozent. Aber auch das ist im Grunde genommen ein Hinweis, dass die Kriegsstimmung eben noch nicht bei der Bevölkerung angekommen ist. Denn kaum jemand ist wirklich bereit und würde bei einer Umfrage mit „ja“ antworten, wenn die Frage lauten würde: „Sind Sie bereit, ihre Kinder in einem Krieg für Deutschland, die EU oder die NATO zu opfern?“ Denn genau darum geht es, jedenfalls wenn wir dem aktuellen Szenario glauben würden, mit dem der ganze Hochrüstungs-Wahnsinn begründet wird – dass uns Russland in den nächsten Jahren angreifen oder gar nach Berlin einmarschieren will. Dann geht es tatsächlich darum, dass junge Menschen in Schützengräben elendig verrecken. Genau so sieht es gerade in der Ukraine aus – jeden Tag den dieser Krieg weitergeht – auf beiden Seiten. Liebe Leute: Gerade wenn dieses Szenario stimmen würde oder auch nur realistisch wäre, dann müssten wir uns mit aller Kraft gegen die Wehrpflicht und Rekrutierung insgesamt wehren, so wie wir jetzt schon die Kriegsdienstverweigerer auf beiden Seiten unterstützen. Meinen tiefen Respekt an dieser Stelle für die Deserteure beider Seiten im Ukraine-Krieg – was auch immer Eure Beweggründe sein mögen!

Mittlerweile laufen – leider sehr zähe – Verhandlungen um einen Waffenstillstand in der Ukraine. Es ist relativ klar, dass die Ukraine nicht gewinnen und auch Gebiete verlieren wird. Die gleichen Expert*innen, die uns jahrelang erzählt haben, Deutschland müsse in Afghanistan „Verantwortung“ übernehmen und Frauenrechte verteidigen, die Bundeswehr müsse und könne in Mali die Sahel-Region stabilisieren und dann einen bevorstehenden Sieg der Ukraine an die Wand gemalt haben, sind mit all ihren falschen Prognosen kein bisschen kleinlaut geworden. Es sind dieselben, die nun das nächste Szenario nicht nur propagieren, sondern als mehr oder weniger gesichert an die Wand malen: Einen russischen Angriff auf einen NATO-Staat und eine entschlossene Reaktion zumindest der europäischen NATO-Staaten. Liebe Leute, spätestens dann sprechen wir von einem Dritten Weltkrieg, auch wenn das so selten benannt wird. Und vermeintlich um diesen abzuwenden, sollen nun Mittelstreckenwaffen, teilweise mit Hyperschall-Geschwindigkeit, in Deutschland stationiert werden, über deren Einsatz der US-Präsident Donald Trump entscheiden würde. Die Mittelstreckenwaffen vom Typ Tomahawk, SM-6 und Dark Eagel werden vermutlich in Grafenwöhr stationiert werden, ihre Abschussrampen sind jedoch mobil und verlegbar. Sie Unterstehen dem Kommando der Multi-Domain Task Force der US-Army in Wiesbaden. Das ist ein US-Kommando, außerhalb der NATO-Struktur. Ob Deutschland irgendeine Mitsprache beim Einsatz hätte, ist ungeklärt, das wird auch allem Anschein nach nicht diskutiert. Das sind Waffen, mit denen binnen Minuten wesentliche Teile der nuklearen Infrastruktur Russlands angegriffen werden können (s. IMI Fact-Sheet „US-Mittelstreckensysteme“). Das sind Angriffswaffen, mit denen ein nuklearer Erstschlag vorbereitet werden kann. Und die werden in Deutschland und nur in Deutschland so nahe an Russland stationiert, dem Land mit den meisten Atomsprengköpfen weltweit – über 5 Tausend, wenn man die aktuell eingelagerten mitzählt. Viele fragen sich und uns gerade, ob Donald Trump diese Waffen tatsächlich in Deutschland stationieren wird – geplant ist das ja für 2026. Die ehrliche Antwort ist: Wir wissen es nicht. Trump ist unkalkulierbar. Aber diesem unkalkulierbaren Menschen hat die ehemalige Bundesregierung diese gefährliche Möglichkeit an die Hand gegeben und damit auch Russland signalisiert, dass Deutschland bereit ist, als Ausgangspunkt eines Angriffs auf Russland zu dienen. Der Öffentlichkeit wurde das in vier kurzen Sätzen ohne jede vorangehende Diskussion als fait accompli mitgeteilt. Das ist unverantwortlich, das ist eigentlich ein Skandal!

Die Debatte wird einseitig unter sorgsam gewählten Propagandabegriffen moderiert. Über die Kriegskredite wurde unter dem Begriff „Finanzpakete“ und „Infrastrukturprogramme“ verhandelt, Rüstungsgüter werden uns als „Investitionen“ verkauft und nun Angriffswaffen als „Schutz“ und „Abschreckung“. Noch viel größer ist allerdings die Verdrehung der Tatsachen in einer noch jüngeren, an die Mittelstreckenwaffen aber anschließende Diskussion, nämlich um einen „nuklearen Schutzschirm“, der entweder von Frankreich auf die EU ausgedehnt oder gar von der EU oder Deutschland selbst aufgespannt werden solle. Die Diskussion um Deutsche oder EU-europäische Atomwaffen wird immer wieder zaghaft angestoßen, ich gehe davon aus, dass sie demnächst an Fahrt gewinnen wird – natürlich unter dem Begriff des „Schutzschirms“ und der vermeintlichen Drohung, dass die USA ihre bereits in Deutschland stationierten Atomwaffen abziehen könnten. Damit wäre der Atomwaffensperrvertrag tot. Liebe Freundinnen und Freunde, wir stehen an der Seite derjenigen weltweit, die sich für den Atomwaffenverbotsvertrag einsetzen, ICAN, eine zivilgesellschaftliche Initiative für die weltweite Abschaffung von Atomwaffen, ein Vertrag, den mittlerweile über 90 Staaten weltweit unterzeichnet haben.

Ich möchte zum Ende meiner Rede noch auf das Völkerrecht und die so genannte regelbasierte Weltordnung eingehen – beides ist nicht dasselbe, sonst bräuchten wir – oder ich sage mal: der herrschende Diskurs – da auch keine zwei unterschiedliche Begriffe dafür. Das Völkerrecht ist eine schwierige, eine zynische Angelegenheit, das Recht zwischen Staaten, es kodifiziert u.a. das, was eigentlich gar nicht sein sollte: Das Recht zum Krieg und das Recht im Krieg. Aber es ist ein einheitlicher Maßstab, der für alle Staaten gleichermaßen gilt. Es ist in der unfriedlichen Staatenwelt das beste, was wir haben, und deshalb sollten wir uns zu diesem Völkerrecht bekennen und es verteidigen. Und auch – aber nicht nur deshalb – kritisieren wir auf schärfste den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, der klar völkerrechtswidrig war und uns wesentlich – nicht alleine, das hatte eine lange Vorgeschichte – die aktuelle Situation eingebrockt hat. Zu dieser Vorgeschichte gehört auch, dass zuvor die NATO, Deutschland und die USA dieses Völkerrecht mehrfach auf eklatante Weise verletzt haben, u.a. bei ihrem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien – der ja mit dem Schutz von Minderheiten – vor einem Völkermord gar oder einem „neuen Auschwitz“ – begründet wurde, nachdem man zuvor von westlicher Seite die Unabhängigkeit abtrünniger Republiken anerkannt hatte.

Wer darauf verweist oder auf andere völkerrechtswidrige Angriffskriege der NATO und ihrer Mitgliedsstaaten, der wird heute schnell mit dem Vorwurf des „Whataboutism“ konfrontiert. Als wolle man das Verbrechen der einen Seite mit den Verbrechen der anderen relativieren. Darum geht es nicht! Es geht darum, das gleiche Recht, die gleichen Maßstäbe für alle Staaten und Regierungen anzuwenden. Wenn das Recht nur gilt, wenn es die anderen verletzen, wird das Recht zur reinen Macht, zum Recht des Stärkeren. Genau das meint die regelbasierte Ordnung in heimlicher Abgrenzung zum Völkerrecht. Das ist ein imperialistischer und ein kolonialistischer Anspruch, der sehr oft auch im Vorwurf des Whataboutism steckt.

Es ist das zentrale und überzeugenste Argument für die „Unterstützung der Ukraine“ – übrigens eine grundlegend nationalistische Denkfigur, denn es geht um die Unterstützung einer abstrakten Nation auf dem Rücken der oft zwangsrekrutierten ukrainischen Soldaten – dass der russische Angriffskrieg völkerrechtswidrig war. Kann das die tatsächliche Motivation für das westliche Handelns sein und wie plausibel ist das, wenn zum Beispiel Deutschland nicht nur in der Vergangenheit selbst das Völkerrecht gebrochen hat, sondern zugleich die anhaltenden und alltäglichen Verletzung des Völkerrechts durch die eigenen Verbündeten unterstützt?

Israel hält seit vielen Jahren völkerrechtswidrig Territorien besetzt. Es hat vor und nach dem Machtwechsel dort immer wieder Ziele in Syrien bombardiert – ganz klar völkerrechtswidrig, auch wenn die Angriffe vermeintlich der Hisbollah gegolten haben. Die USA haben in der ganzen Region Militär-Basen, oft klar völkerrechtswidrig, z.B. in Syrien und Irak. Sie greifen auch von dort aus immer wieder Nachbarstaaten an. Es gibt mit dem widerlichen Verweis auf die Riviera einen von höchster Stelle artikulierten Plan zur ethnischen Säuberung und sehr sehr deutliche Hinweise darauf, dass sich in Gaza vor den Augen der Weltöffentlichkeit ein Völkermord vollzieht. Das seit vielen Jahren anhaltende Vorgehen in der Westbank ist grausam und ein fortwährender Völkerrechtsbruch – das ist mehrfach durch Gerichte bestätigt und in der Fachdebatte im Grunde unstrittig. Die Liste der Völkerrechtsverstöße durch westliche Verbündete in dieser Region ließe sich lange fortsetzen, so wie die Liste täglich getöteter Zivilist*innen, die auf palästinensischer Seite so viel weniger zu zählen scheinen, als in der Ukraine. Deutschland liefert – immer noch – Rüstungsgüter nach Israel, stellt Israel Drohnen zur Verfügung, israelische Waffen werden in Deutschland gebaut, europäische Forschungsgelder fließen an israelische Rüstungsunternehmen und israelische Firmen liefern Software für deutsche Rüstungsprojekte. Das alles ist ein Skandal, und wer das thematisiert, der wird oft nicht nur niedergemacht und lächerlich gemacht, sondern kriminalisiert. Das ist eigentlich schon eine besonders große Sauerei: Dass Deutschland seine Nachkriegsgeschichte nur noch in dem einen einzigen Punkt zu kennen scheint und zur Staatsräson erklärt, wo es um die unbedingte Unterstützung einer extrem rechten israelischen Regierung geht.

Um das Völkerrecht geht es in der deutschen Außenpolitik ganz offensichtlich nicht. Nicht bei der Unterstützung der Ukraine und den monströsen Aufrüstungsplänen Deutschlands und der EU. Sie unterlaufen in vielfacher Hinsicht das Völkerrecht. Meiner Meinung nach geht es um einen EU-europäisch kaschierten deutschen Imperialismus, der sich gerade Bahn bricht – und der womöglich noch nie so gefährlich war, wie gerade. Ich danke für Eure Aufmerksamkeit.

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